Sterbebegleitung

Um deutlich zu machen, was ich unter Sterbebegleitung verstehe, möchte ich eine Geschichte aus meiner Arbeit erzählen:
Eines Tages kam eine Bekannte zu mir und sagte, ihre Mutter (die ich nie gesehen hatte) läge im Sterben, hätte aber die Augen weit auf und mache den Eindruck, dass sie noch etwas sagen wolle.
Ich sagte ihr, sie solle sich gedanklich mit ihrer Mutter verbinden und mich ‚anmelden‘, ihr sagen, es käme jemand, dem sie vertrauen kann. Dann fuhr ich nach Hause.
Von dort aus rief ich diese Frau, hatte auch sofort Verbindung zu ihr und sie diktierte mir einen langen Brief, in dem die verschiedensten Dinge angesprochen wurden, bis hin zu Familieninterna und sarkastischen Bemerkungen, die ich ja alle nicht kennen konnte.
Diesen Brief brachte ich der Tochter, die ihn mit einiger Fassungslosigkeit las und hundertprozentig seine Echtheit bestätigte.
Am nächsten Abend spürte ich, dass ich gerufen wurde. Es war die Mutter, die geradezu zu einer Riesin geworden war und mir ruhig und stark mitteilte, sie wolle jetzt mit ihrem Tod allein sein und bitte darum, dass vor morgen Vormittag niemand ihr Zimmer betritt (sie lag in einem Hospiz). Sofortige Telefonate erreichten: die Hospizleitung ließ sich darauf ein. Und als am nächsten Tag die Tochter mit einem Pfleger das Zimmer betrat, lag die Mutter völlig entspannt tot im Bett. Alle wussten: sie war in Würde ihren eigenen Tod gestorben…

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